Studienreisen Sardinien
Studienreisen Sardinien
Land der Barbaren
Die Sonne gehört den Touristen.
Wind und Regen aber den Schafen.
Im Hinterland Sardiniens ist der Jetset weit- und die Natur ganz nah.
Fuß vor Fuß. Vorsichtig werden die Schritte gesetzt, einer nach dem anderen. Der schmale Weg hier ober ist feucht und schlüpfrig, und mit kleinen Felssteinen gespickt. Flache, offen liegende Wurzeln kreuzen ihn als Fallstricke. Macchia stachelt gegen den nackten Waden, während der vom Wind zerfetzte Bergnebel von den mächtigen Korkeichen ringsum heruntertropft.
Erfahrungen bei einer Studienreise durch Sardinien.
„Afanti, sbrigati“ Daniele Serusi treibt an: „Los, weiter geht´s Der Stolperpfad führt noch eine Weile den vom Wind gestreckten Kurs aufwärts. Gianni, sein wuscheliger, grauschwarzer Hund, fliegt den Weg hinauf, macht kehrt – und rennt schnurstracks wieder eine lange Strecke hinunter. Dann gibt eine Lichtung die Sicht frei auf ein atemberaubendes Panorama: Schroffe, kahle Felsen, über denen hoch am Himmel Vögel kreisen, zu Tälern abfallendes, trockenes Weideland, dazwischen Hügel – und dann aufsteigend und überragend die Kette des Gennargentu-Massivs mit dem höchsten Gipfel von Sardinien, dem 1834 Meter hohen Punta La Marmora. Mit ausholender Geste deutet Daniele nach vorn: „Non è bello?“ – „Ist das nicht schön?“ Daniele stammt aus Fonni in der wildesten Gegend von Sardinien, der Granitlandschaft der Barbagia. Der Name allein schon ist Programm: Das Land der Barbaren nannte es bereits die Römer, der ungezähmten, fremdartigen Bewohner, die so nichts gemein hatten mit den Menschen auf dem Festland- wild und verwegen, bärtig, unverständlich, in ihren Augen rückständig lebende Bergbewohner.
Seit Jahrhunderten wachsen hier die geheimnisvollen Nuraghen: Es sind Steintürme, deren Zweck bis heute keiner erforschen konnte – Großsteinkultur ohne Deutungshilfen und früheste kulturgeschichtliche Rätsel. Nicht so dauerhaft das andere Synonym für Sardinien: Schafe, Lieferanten des herzhaften Pecorina-Käses und der wertvollen Wolle. Zwar hüten, scheren und melken noch immer 30 000 Hirten insgesamt drei Millionen Schafe. Dennoch ist dieses uralte Gewerbe – meist in großen Clans mit einem ganz eigenen Rechtsempfindungen und einer strengen Werteskala organisiert – von der globalen Wirtschaft mit Ihren Wollkartellen und Dumpingpreisen bedroht. Es muss sich neu schaffen.
Daniele ist skeptisch „So leicht denken die Sarden nicht um“, sagt der Landwirt. Es könnte lange dauern, bis die neue Zeit mit modernen Genossenschaften in die Berge kommt: „Aber wir werden unsere Schafe nie aufgeben.“
Gavino Ledda hat bewiesen, dass es geht, ist ausgebrochen aus der erdrückenden, keinen Widersprich duldenden Umklammerung der Traditionen. Auch er ein Hirte, ein Knirps in den Bergen, der vom Vater aus der Schule gerissen und als Schafhüter in die Berge gezwungen wurde, um die Herde gegen die Füchse zu bewachen. Doch er hat sich frei gemacht, sein Leben selbst in die Hand genommen, hat sich gegen das Hirtenschicksal aufgelehnt- und ist Professor für Lingustik und ein erfolgreicher Schriftsteller geworden. Sein preisgekröntes autobiografisches Buch „ Padre Padrone“ später verfilmt und 1977 mit der Goldenen Palme von Cannes ausgezeichnet, ist bester Beleg für umdenken und geglückte Emanzipation. Geblieben ist dennoch ein tiefes Verständnis für das Herkömmliche. „Wer sich am Lammfleisch satt isst, der stiehlt es“ erinnert sich der 72-Jährige an die Worte seines Vater. Die Armut verbot es Hirten, Lammfleisch zu essen. Schließlich sagt der große Erzähler, lassen sich auch noch heute für ein Lamm eine ganze Familie zehn Tage mit Brot und Makkaroni durchbringen.
Die spröde Bergwelt und die unterschiedlichen Klimazonen haben die Menschen und ihr Brauchtum in Sardinien geprägt bis in die Gegenwart. Noch heute bestimmt der Rhythmus der Natur das Leben. Und ein archaischer Lebensstil, zu dem die eigene Sprache ebenso gehört wie die typisch sardische Küche, die Muster der Teppiche, die Farben ihrer Trachten – und das Schnalzen ihrer Zungen, wenn sie ihre Schafe rufen.
All dies lernen Sie im Rahmen einer Studienreise durch Sardinien kennen.
Doch es gibt auch die andere Seite die das türkisblaue Meer beschert – das milchig gischtend ans Ufer rollt und überall die schönsten Buchten rein wäscht. Stintio gehört dazu mit seiner karibisch anmutenden Spiaggia di Pelosa, einem kleinen, weißen Sandstrand am Cape del Falcone. Oder die Costa Paradiso: ein anderes Leben herrscht hier, es ist die Welt der Touristen.
Auch Alghero gehört dazu- mit seiner Altstadt, eine trotzige Festung mit Toren und Wachtürmen, und der aufragenden Kathedrale Santa Maria, Relikt spanischer Eroberungen aus dem 14. Jahrhundert, deren Marken- selbst in der Sprache und in den Festen-noch heute zu entdecken sind. Auch dieses spanische Element gehört zum Vielvölkerkontinent Sardinien, dem Araber, Römer, Karthager, Spanier ihre Gene hinterlassen haben – zur Entwicklung der eigenen, autonomen sardischen Identität.
Alghero ist ein absolutes Feinschmeckerziel: Wer Langusten, Taschenkrebse, Schwertfisch oder Hummer schätzt, kommt hier voll auf seine Kosten. Dafür fahre sie „gern den weiten Weg herunter2, sagt Ulrike Raimund- Cervantes, die in Sassari Autos vermietet. Einmal im Jahr gerät die Hochburg der sardischen Autonomiebewegung, deren Faine die Sassu, ein Gebäck aus Kichererbsenmehl mit Wurst. Auf der ganzen Insel geschätzt wird, zum Pilgerziel von Tausenden von Menschen.
Ein Muss für jede Studienreise nach Sardinien.
Immer am vorletzten Sonntag im Mai steigt die „Cavalcate Sarda“ – ein Folklorenfest mit Reiterakrobatik und farbenfrohen Umzügen. Sardinien zeige sich da „in Gänze, echt und authentisch“, sagt die gebürtige Bremerin, die vor 16 Jahren nach Sassari zog und dort auch geheiraten hat . das Festland Italien sei für die Sarden keine Heimat: „Sardinien ist sardisch – und nicht italienisch.“ Vielleicht gilt dies nicht für die Costa Smeralda. Refugium der Reisten, Erfindung des Aga Khan, ein künstlich gebauter Ankerplatz für die teure Seele. Mittendrin in diesen so selten samen elysischen Gefilden der Tempel der Allerschicksten: Der „Billionaire“ Club des Flavo Briatore, Italiens bekanntester Hohepriester des Lustprinzips. 170 Euro kostet es, überhaut erst einmal das Reich der Reichen betrachten zu dürfen. Ein Aperitif um 60 Euro, Champagner zu Hummer und Kaviar – in einer Runde kommt da bald schnell eine Rechnung über 10 000 Euro zusammen. „Die Leute haben sich noch nie beschwert, dass eine Flasche Champagner 1000 Euro kostet „ lacht der schon mehr als graue Lockenkopf. „Sie beschweren sich nur wenn sie nicht reinkommen.